Samstag, 12. Januar 2008

Erziehen und Strafen

"Gefängnisse nämlich, so Koch, seien bloß "Staatshotels".

Wie demagogisch das ist, kann man bei Michel Foucault nachlesen. "Das Gefängnis kann gar nicht anders, als Delinquenten zu produzieren", schrieb der französische Philosoph. "Es soll die Gesetze anwenden und ihren Respekt lehren; aber sein ganzer Betrieb beruht auf Machtmissbrauch." Genau deswegen gibt es Gefängnisse, Erziehungscamps und Zuchthäuser; sie produzieren für den Staat nützliche Delinquenz: "Sie lässt sich kontrollieren, indem sie Individuen markiert, die Gruppen unterwandert und das Denunziantentum organisiert wird." Eine innergesellschaftliche Kolonisierung entsteht oder wird - wie im Falle der Migrantengruppen - verlängert.

Ein Roland Koch hat vermutlich gar nichts gegen den Foucaultschen Befund einzuwenden. "Gefängnis muss man spüren, wenn es eine Wirkung haben soll", sagt er und spricht folglich von Erziehung, wenn er Inhaftierung meint. Aufs Bildungssystem will er gar nicht setzen: Dass die Münchner Täter Absolventen des Pisa-gestählten bayerischen Schulsystems sind, wird besser verschwiegen."

Martin Krauß, Erziehung als Strafe

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Allerdings: Die CDU/CSU weiß das. Deren Erziehungscampargument lautet ja: Die Gefängnisse geben den Jugendlichen den letzten Schliff. Wunder, dass das in Erziehungscamps nicht passieren soll. Hier wäre dann eine pervertierte Logik der Kontrollgesellschaften am Werk: "Du bist nicht mehr im Gefängnis, wir sind hier ein einem Erziehungscamp!" Wir können uns dann schonmal weitere Institutionen ausdenken, wenn die Reaktionären sehen, dass diese Einrichtungen auch nichts helfen...

Schatten kontrastieren hat gesagt…

Auch interessant, dass weiterhin mit räumlichem Aus- bzw. Einschluss anstatt mit Situationskontrolle gearbeitet wird. Also wirklich eher eine kontroll- als sicherheitsgesellschaftliche Logik, vielleicht ist das aber gramscianisch gesprochen auf der Zwangseite der Hegemonie auch die favorisiertere.

Anonym hat gesagt…

Hmmm... Garmscianisch gesehen wirft das tatsächlich das Problem auf, dass eigentlich zivilgesellschaftliche Formen (Schulen, Freizeitorganisationen) plötzlich auf der Zwangsseite eingeführt werden. Wart ab, bald heißt es nämlich nicht "Gefängnis als Staatshotel", sondern "Erziehungscamp als staatlich verordnete Abenteuerpädagogik".

Gebe Ihnen aber Recht, dass die räumliche Organisation immer noch stärker im Blickfeld staatlicher Regulation steht. Was wären denn Ihrer Meinung nach eine situationsorientierte Sicherheitslogik?

Schatten kontrastieren hat gesagt…

Ein Beispiel wären z.B. architektonische Maßnahmen zur Verhinderung von Selbstmorden auf dem Dach des deutschen Bundestages in Form von Kiesbetten an den Seiten der Besucherwege. Weitere wären z.B. Urinkontrollen am Arbeitsplatz oder private Innenstadtsicherheitsdienste.
Zentral sind v.a. die Kontrolle über Umgebungsvariablen und begrenzte Ausschlußmechanismen zur Bereinigung einzelner Situationen.