"Offensichtlich bildet sich ein neues Emotionalitäts-Dispositiv heraus. Für den Fordismus gilt weitgehend, dass Gefühle im Rahmen restriktiver Handlungsfähigkeit durch Polarisierung ruhig gestellt werden: einerseits in der "scheinhaften 'Verinnerlichung' der Emotionalität als von den realen Lebesbedingungen isolierter, bloß 'subjektiver' Zustand des je einzelnen Individuums", andererseits als "'Entemotionalisierung', d.h. Zurückgenommenheit und Unengagiertheit des Handelns" (Holzkamp 1983, 404). Indem die Gefühle von der Situation und vom Handeln darin losgelöst und dissoziiert erscheinen, werden sie zu besonderer "Tiefe" mystifiziert. Im neoliberalen Mobilisierungsdiskurs wird all das an die Oberfläche geholt: die Gefühle sind wieder "profanisiert", weltlich und jederzeit einsetzbar. Sie werden (auch hier) nicht als "Bewertung" der Situation gedacht, sondern müssen unabhängig davon zum Handeln unter fremd gesetzten Zielen befähigen, sind Teil von Selbstinstrumentalisierungen, die den geforderten Haltungen - aktiv, kreativ, demütig - bereitstellen können. Entsprechend verschieben sich auch die Erscheinungsweisen restriktiver Motivation (Holzkamp 1083, 411ff): es geht weniger darum, fest stehende Ziele und Verhaltensweisen zu oktroyieren, als vielmehr die Subjekte zu mobilisieren, sich die von anderen definierten Probleme selbständig zu eigen zu machen bzw. selbst aus den sachlichen Gegebenheiten abzuleiten, ihre Kreativität und Individualität in diese Prozesse einzubringen und eigenständig Verwertungsmöglichkeiten zu eröffnen. [...] Die immer wiederholte Bereitschaft zur harten Arbeit, die im Umkehrschluss den Misserfolg auf mangelnde Eigenleistung zurückführen, sind so etwas wie die Antwort 'von unten' auf das Vorhaben, das "Sicherheitsnetz aus Ansprüchen in ein Sprungbrett in die Eigenverantwortung umzuwandeln" (Schröder/Blair 1999). [...] Durch formelhafte Wiederholungen von nahe gelegten Denk- und Handlungsweisen werden Begründungsmuster zur Verfügung gestellt, die über die Herausbildung einer verallgemeinerten 'Haltung' - Lernhaltung, Arbeitshaltung, Erwartungshaltung, etc. - relativ kohärente Erklärungen und Selbstthematisierungen ermöglichen."
C. Kaindl (2005): Du musst ihn fühlen, den Scheiß!, in: Das Argument, Nr. 3.
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