Sonntag, 25. Mai 2008

Samstag, 24. Mai 2008

"Democracy in a time of monsters"

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"Auf politischem Terrain erfolgt die Suspendierung vom Status als Normal-Subjekt, indem eine Person zum Träger einer a-poiitischen, weil nicht-staatlichen und daher illegitimen Gewalt erklärt wird, deren Behandlung man einer außergesetzlichen Prärogative anheim stellt. Darüber hinaus bieten die unbestimmten Rechtsbegriffe des Sicherheitsdispositivs - vor allem dieBegriffe der Gefahr und der Bedrohung - das Einfallstor für Semantiken der Devaluierung. Einschlägig sind hier Figuren des Animalischen, des Barbarischen und des Wahnsinns. So fuhrt die US-Regierung zur Rechtfertigung der unbegrenzten Haft einen Präzedenzfall an, der die Praxis der unfreiwilligen Krankenhauseinweisung von geisteskranken Menschen damit begründet, dass diese eine Gefahr für sich und andere darstellen (vgl. ebd., S. 9lf.). Dadurch weitet sich die Geisteskrankheit im Dienst der Selbstbeschreibung als vernünftige Zivilisation metonymisch aus. Zudem ist eine Rückkehr der Figur des gewalttätigen Monsters zu konstatieren, auf die bereits Foucault in seiner Genealogie des Anormalen stößt (Foucault 2003a, S. 85ff.). Amit S. Rai zufolge handelt es sich bei der Zuschreibung des Monströsen um eine Strategie des "Othering", anhand der die westliche Modeme seit ihren Anfängen einen Abstand zu sich selbst anzeigt und die bevorzugt auf den Orient angewendet wird. "Today, the monster has re-emerged at the center of an ,axis of evil', as a masculine-effeminate 'subject' that embodies Western civilization's ultimate enemy: the Islamic terrorist." (Rai 2004, S. 539).
Das Monster verschmilzt eine kulturelle, religiöse und moralische Andersheit; als Verstoß gegen die juridischen wie natürlichen Gesetze ist es in Bezug auf seinen sozialen Status zugleich unmöglich und verboten. Das Monster bildet somit die Ausnahme, auf die exzeptionell geantwortet werden muss - ,,'democracy' in a time of monsters" (ebd., S. 558)."

(Sven Opitz (2007): Eine Topologie des Außen - Foucault als Theoretiker der Inklusion/Exklusion, S. 52 f.)

Gottfried Ludewig und das Wahlrecht

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Die nächste Schote des ehemaligen TU-AStA-Vorsitzenden:


"Der Vorsitzende des CDU-nahen Studentenverbands RCDS, Gottfried Ludewig, will die Stimmrechte von Rentnern und Arbeitslosen bei Bundestags- und Landtagswahlen einschränken. Er habe ein Thesenpapier an sämtliche Vereinigungen der CDU geschickt, bestätigte Ludewig einen Bericht der "Bild"-Zeitung. In dem Papier mit dem Titel "Drei Thesen zur Stärkung der Leistungsträger" heißt es: "Diejenigen, die den deutschen Wohlfahrtsstaat finanzieren und stützen, müssen in diesem Land wieder mehr Einfluss bekommen. Die Lösung könnte ein doppeltes Wahl- und Stimmrecht sein."
Allein mit "Hartz IV-Beziehern und Rentnern" könne der soziale Ausgleich in Deutschland nicht funktionieren, hieß es in dem Thesenpapier weiter."
(AFP)

Mittwoch, 21. Mai 2008

Linksliberale Meinungsmache

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was die Vorsitzende der Geschäftsführung des Suhrkamp-Verlages in der FAZ so von sich gibt (bzw. 2002 von sich gab), ist zumindest mal ein Indikator wie's ums Linksliberale so bestellt ist:

»Unterdrückt, klein gehalten, dumm gemacht, am Fortschritt gehindert, zum Rückschritt gezwungen, stehen die muslimischen Völker des Ostens heute weit unter dem Bildungsniveau derer des Westens. Bauchmenschen, Glaubenstiere, hysterisch und fanatisiert, zurückgeworfen auf Viehhändlergebote, im gerechten Bewusstsein, dass ihnen Unrecht geschieht, doch ohne das intellektuelle Rüstzeug, im Rahmen der Vernunft, die doch der morgenländischen Weisheit erster und letzter Ratschluss ist, dagegen zu kämpfen.«
(Ulla Unseld-Berkéwicz zitiert nach Becker)

Montag, 19. Mai 2008

Paul Noltes "Kulturklassen"

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"Paul Nolte, gefragter Zeitdiagnostiker, scheint mit Oskar Lafontaine überein-zustimmen, wenn er die soziale Frage als Klassenfrage formuliert. Für den Historiker ist der Traum sozialer Harmonie, die durchaus problematische „Utopie des 20. Jahrhunderts“, ausgeträumt (Nolte 2006, 89). Bereits überwunden geglaubte soziale Unterschiede kehrten „in neuem Gewand zurück“. Armut und Unterschichten seien „wieder ein großes Thema geworden“, die Welt des 21. Jahrhunderts zeige sich als „eine zerrissene Welt“ (ebd., 92) Jener „Zug zur Mitte“, der den sozialstaatlich regulierten Kapitalismus nach 1949 für Jahrzehnte geprägt habe, verkehre sich in eine neue Polarisierung von Arm und Reich. Insofern sei es zutreffend, „von einer neuen Klassengesellschaft zu sprechen“.
Wenig überraschend sieht Nolte „hinter den vielen Erscheinungsformen der neuen Klassengesellschaft“ den vermeintlichen Sachzwang Globalisierung wirken: Während in den Schwellenländern neue Mittelschichten entstünden, übernähmen die Zentren manche Merkmale der alten Peripherie. Unübersehbar sei Erwerbslosigkeit in den entwickelten Kapitalismen „milieukonstituierend“ geworden und schotte „zunehmend auch kulturell gegen Aufstiegschancen und Aufstiegswillen ab“ (ebd., 98).
Damit ist Nolte beim eigentlichen Kern seiner Diagnose. Für ihn ist die neue Klassengesellschaft nicht allein ökonomisch verursacht, er hält sie vor allem für ein kulturelles Phänomen. Der Historiker nennt drei Ursachenbündel für die kulturelle Eigendynamik der Klassenbildung: erstens die „große Schnittmenge“ zwischen Migranten und Unterschichten, die in kulturelle Segregation und Abschottung münde; zweitens die „Erosion der traditionellen Familienordnung“, die in den kinderreichen Unterschichtenfamilien mit ihrem geringen kulturellen und sozialen Kapital zwangsläufig zu „Erziehungskatastrophen“ führe und drittens schließlich die Rückverwandlung der Massen- in eine Klassenkultur mit Zielgruppenfernsehen für die
Unterschichten. Nicht Klassengesellschaft an sich und wachsende soziale Unterschiede als solche sind Noltes Problem. Sie gelten ihm in einer globalisierten Welt als unausweichliches Schicksal, das zu meistern sich vor allem korporatistisch organisierte Kapitalismen wie der deutschen schwer täten. Problematisch ist für den Historiker die Verfestigung einer „Alltagskultur der Unterschichten, die nicht mehr durchweg einer Assimilation an die bürgerliche Mittelschicht folgt, sondern sich auch durch äußere Abgrenzung zu behaupten sucht (zumal bei Jüngeren: in der Manipulation des eigenen Körpers mit Tatoos, Piercings), sich damit aber zugleich auch verfestigt und einkapselt“ (ebd., 96).
Hier wird deutlich, wozu Nolte die Metapher der Klassengesellschaft eigentlich dient. „Klasse“ wird zu einem sozialen Ordnungsbegriff umfunktioniert, um von „einer Position der Mitte“ aus Verwahrlosung, Wertezerfall und Antibürgerlichkeit der Unterschichten attackieren zu können. Eine solche Ordnung der Klassengesellschaft ist natürlich „etwas anderes als die fröhliche Wiederauferstehung des Gegensatzes von Bourgeoisie und Proletariat“ (ebd.: 99). Und sie mündet auch nicht in einem neuen Klassenkampf zwischen Besitzern und Besitzlosen. Vielmehr schließt die fortgeschrittene „kulturelle Eigendynamik der Klassenbildung“ aus, dass klassenspezifischen Ungleichheiten mit Verteilungspolitik beizukommen ist. Nicht Klassen- sondern Kulturkampf bestimme die Konfliktdynamik des neuen Kapitalismus.
Es gehe um die Frage nach kulturellen und politischen Optionen [...]. In diesem Kulturkampf ist Noltes Feindbild klar. Mit seinem Klassenkonzept attackiert er sowohl altlinke „Pessimisten“, die sich strukturell in der Defensive wähnten und einer verschwörungstheoretischen Neoliberalismus-Kritik frönten, also auch romantische „Schrumpfer“, die mit ihrer „provinziellen“ Kritik an Arbeitsgesellschaft und Beschleunigung (vgl. Rosa 2006) das „Bewegungsgesetz“ des dynamischen Kapitalismus ignorierten. Denn: „Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als in einer riskanten Moderne in Bewegung zu bleiben“ (ebd., 110). Wer, wie die apathischen Unterschichten, dieses Gebot verletzt und es sich in der Hängematte des Wohlfahrtsstaates bequem machen will, dem muss „die neue Mitte“ (ebd., 144) Beine machen – und sei es repressiv, durch Solidaritäts- und Leistungsentzug. [...] Dass die Beschwörung einer strategischen Mitte zu-
gleich die politische Preisgabe der Unterschichten bedeutet, ist eine versteckte, gleichwohl unüberhörbare Botschaft in Noltes Ordnung der Klassen."
(Klaus Dörre - Klassengeellschaft, Ungleichheit, Hegemonie)

Mittwoch, 14. Mai 2008

Ponticelli

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"Dutzende Bewohner des heruntergekommenen Stadtteils Ponticelli zogen am Montagabend vor die fünf Roma-Barackenlager des Viertels; in der Nacht flogen die ersten Molotow-Cocktails. Zu erneuten Ausschreitungen kam es am Dienstag, als sich mehrere hundert mit Knüppeln, Eisenstangen und Steinen bewaffnete Bürger vor den Camps einfanden. Die Pogrome fanden auch im Fernsehen statt. Ein zur Berichterstattung angerücktes Kamerateam des italienischen Staatssenders RAI war vor ein Lager gezogen, um für die Sendung "Leben live" über den "Unmut der Anwohner" zu berichten - und die nutzten ihrerseits die Gelegenheit, ganz Italien live an ihrem Pogrom teilhaben zu lassen: Erst durften die braven Bürger ihre Hassparolen in die Kameras sprechen und dann ihrem Hass freien Lauf lassen. Am Ende wurden drei Camps und ein leer stehendes, in letzter Zeit von Roma besetztes Gebäude abgefackelt."
(Michael Braun)

Dienstag, 13. Mai 2008

Integration und Gewalt

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Ulrich Beck schreibt ja tatsächlich nicht nur Blödsinn, so z.B. zu den Aufständen in den französischen Banlieus:

„In Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern glaubt man geradezu obsessiv daran, dass die Ursachen für die Gewaltbereitschaft der randalierenden Migranten-Jugend in der Herkunftskultur der Einwanderer zu finden sind. Empirische Studien belegen das Gegenteil: Es ist nicht die fehlende Integration, sondern die gelungene Integration, genauer: der Widerspruch von kultureller Assimilation und sozialer Ausgrenzung dieser Jugendlichen, aus dem sich ihr Hass und ihre Gewaltbereitschaft speisen. […] Man beschwört den Primat der Herkunft und will nicht wahrhaben, dass es das Hier-aufgewachsen-Sein, die erfolgreiche Assimilation, genau die verinnerlichte Egalité ist, aus der die Flammen emporschlagen.“ (Beck 2005)


Ärgerlich ist hingegen der Freitag, der liefert nämlich als Erklärung: Initiationsriten, Pubertät, Massenmedien:

"Es geht um die Wunschwelten des ewig kampflustigen Mannes. Gangsta und Pimp haben das, was der pubertäre Mann haben möchte: das Geld, die Waffe und die Verfügung über die Frauen, alles zusammen ergibt dann Coolness. Aber Coolness bedeutet auch, dass Bildung, Arbeit und soziales Verhalten abgelehnt werden." (Jutta Brückner)

Und wieder ein weiteres Kapitel im endlosen Gerede über die "Kultur der Armut", Episode 257: Feuerwaffen, Ficken, Fernsehen. Statt konkret die Strukturen der "internen Ausgrenzung" (Bourdieu) zu untersuchen werden Schulen nur aus Gründen von Spaß, Männlichkeitskrise, Triebpotential und, natürlich, der Reviermarkierung in Brand gesetzt.