Donnerstag, 18. Oktober 2007

"Der Ghoul der Flexibilität"

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Im aktuellen Freitag ist ein sehr unterhaltsamer Artikel von Guillaume Paoli von den glücklichen Arbeitslosen:

"Maschinen arbeiten nun schneller, effektiver und billiger. Entgegen einer populären Vorstellung heißt dies aber nicht, ein Ende der Arbeit sei in Sicht. Maschinen können zwar endlos reproduzieren, jedoch keine Produkte entwerfen, auf Veränderungen reagieren, sich der Konkurrenz anpassen, in einem Wort: innovieren. Auch können sie nicht selbstständig verhandeln, verführen und belügen, in einem Wort: verkaufen. Dazu sind Gehirne unentbehrlich. Selbst in call centers, jener postindustriellen Entsprechung des Fließbands, heißt es, man möge ins Telefon lächeln. Im globalen Vampirismus kann kein Betrieb auf motivierte und engagierte Mitarbeiter verzichten. Je weiter die Automatisierung der Produktion voranschreitet, umso ausschlaggebender wird der menschliche Anteil am Gesamtprozess. [...]



Immerhin waren Chefs gemeinsame Feinde, gegen die sich Belegschaften zusammenschließen und wehren konnten. Ohnehin ist der Befehlshaber nicht mehr der Boss, sondern der Kunde. Der Kunde, also wir alle, lässt Firmen keine andere Wahl, als Löhne zu senken, um preiswert zu bleiben. Wer gegen Lohnsenkung kämpft, kämpft gegen sich selbst. [...]

Zu diesem Anlass erklärte ein Experte in der Zeitung Le Monde: "Wir können nicht das Humankapital kontinuierlich aufsaugen, ohne uns um die Konsequenzen zu kümmern. Irgendwann wird es nichts mehr aufzusaugen geben, und das Wirtschaftssystem wird aufhören zu funktionieren. Vielleicht haben wir bereits diese Grenze erreicht." (Die Betonung von "Aufsaugen" ist ein weiterer Hinweis auf die Draculasche Prägung des moderneren Managements.) Die Selbstmorde ausgepresster Angestellter nennt er unterdessen "ein beunruhigendes Alarmsignal für den Fortbestand des Systems." Auch eine Lösung hält er parat. Das "Zusammenleben" soll wiederhergestellt werden, denn obwohl nicht unmittelbar rentabel, sei es doch ein unverzichtbares Fundament des Systems. Ausgerechnet das Zusammenleben, auf dessen Trümmern die Marktgesellschaft aufgebaut wurde, wird zur Rettung ihrer selbst heraufbeschworen. Es scheint, dass nach einem Vierteljahrhundert der Flexibilisierung die Grenzen der Biegsamkeit erreicht worden sind. Man wird sich ein neues Wundermittel einfallen lassen müssen, vielleicht eine Rückkehr zu väterlichem Autoritarismus oder die ultimative Anpassungsdroge. Auf die nächste Episode des Frankensteinexperiments darf man gespannt sein. "


mehr gibts es hier: (1) (2) (3) (4)

Sonntag, 14. Oktober 2007

Wintersemester 2007/2008

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Veranstaltungen von Alex Demirovic in diesem Semester

Mo 14-16h PS Marx: Ökonomie und Politik
Mo 16-18h HS Ideologie und Hegemonie
Di 14-16h HS Der Wandel von Staatlichkeit
Di 12-14h V Einführung in die Politikwissenschaft und Grundlagen der politischen Theorie

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Exklusion mal anders

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Eva Hermann ist aus der Talkshowsendung Kerner ausgeschlossen worden. In Zeiten, in denen der Feminismus in seiner institutionalisierten Form ein konservativer ist, gibt´s auch mal was Positives, vor allem wenn sich das Konservative Lager entlang von essentialistischem Blödsinn - "Werde, was du bist!" (Hermann) - spaltet.

""Ich wollte wissen, was Eva Herman wirklich denkt", sagte Kerner nach der Aufzeichnung der Sendung der "Bild"-Zeitung (Mittwoch). "Als ich gemerkt habe, dass sie ihre missverständlichen Äußerungen nicht aufklären kann, habe ich sie freundlich verabschiedet." Der Historiker Professor Wolfgang Wippermann, der als Experte in die Sendung geladen war, sagte zu "Bild": "Als sie (Herman) plötzlich über Autobahnen bei Hitler sprach, war das Gejohle im Publikum groß. Dabei gerät sie mit ihrer Terminologie in eine problematische Ecke.""
aus FR, 10 Oktober 2007.
"Konservativer Feminismus ist eine spannende Wortprägung. Denn konservativ steht dafür, Werte zu erhalten in einer modernen Welt: die Werte der Verantwortungsübernahme für andere, der Verlässlichkeit untereinander. Aber bitte auf Augenhöhe! Das heißt, dass die Kindererziehung, die Verantwortung für das Einkommen, aber auch die Pflege der alten Eltern eine gemeinsame Aufgabe ist."
Eva Hermann in der FAZ vom 19. März 2007

Bleibt zu hoffen, dass Ina Kerner und Sabine Hark mit der von ihnen geteilten These vom 'False Feminist Death Syndrome' recht behalten und der F-Klasse-Feminismus (Thea Dorn) von einem neuen 'alten' Feminismus abgelöst wird.
"Die F-Klässlerin ist Unternehmerin ihrer selbst; sie nimmt ihr Geschick in die eigenen Hände und (miss-)versteht ihren Erfolg ausschließlich als Ausweis persönlicher Leistung, als individuelle Überlegenheit im täglichen survival of the fittest, nicht als Effekt gesellschaftlicher Bedingtheit. [...]

Während diese jedoch auf das neoliberal angehauchte ABC des 'Jede-ist-ihres-Glückes-Schmied' setzt, bemüht sich der so genannt alte Feminismus in fast allen seinen Varianten darum, sowohl die Bedingungen freizulegen, die Handeln ermöglichen oder verhindern, als auch politisch für die Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten zu streiten. Feminismus, und das verschweigt die F-Klasse zu Gunsten der eigenen medialen Selbstprofilierung offensichtlich nur zu gerne, war und ist ein Projekt, das die Erweiterung der Freiheitsgrade von Frauen, aber auch von Männern, zum Ziel hat; und nicht die Einrichtung im Zustand der Unmündigkeit.

Es mag sein, dass die F-Klasse an der Zeit ist. Sie sollte sich allerdings stets als das ausweisen und als das verstanden werden, was sie ist: Ein Feminismus für Wenige, ein Spartenfeminismus für jene, die von gesellschaftlichen Be- und Verhinderungen nichts wissen wollen. Es mag auch richtig sein, dass es an der Zeit ist, über einen 'neuen' Feminismus nachzudenken. Denn in der Tat muss Feminismus sich der Frage stellen, ob und welche Antworten er heute anzubieten hat für die komplex ineinander verwobenen Herausforderungen einer globalisierten, homogenisierenden und zugleich zunehmend fragmentierten und segregierenden Welt; einer Welt auf jeden Fall, deren vordringlichstes Problem nicht die geglückte Work-Life-Balance westlicher Unternehmerinnen ihrer selbst ist, sondern immer noch Sexismus, Homophobie und Rassismus in ihren vielfältigsten, auch gewaltförmigen Manifestationen. Ein Feminismus, der zu diesen Fragen nichts zu sagen hat, dessen Platz ist gewiss in der Geschichte und nicht in der Gegenwart."
Sabine Hark und Ina Kerner